Die Seelen mit Taten wärmen – Unterstützer berichten

28 Vesperkirchen gibt es in Baden-Württemberg. Mit über 600 Besuchern täglich ist die Ravensburger Vesperkirche, die am 20. Januar 2015 beginnt, nach Stuttgart eine der größten im Land. Allen sind ihnen trotz regionaler Verschiedenheit zwei Dinge gemeinsam: Sie werden getragen vom Ehrenamt aus ihren Heimatregionen und sie finanzieren sich hauptsächlich durch Spender vor Ort – seien es Firmen, Institutionen oder Einzelpersonen.

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Berno Müller

Berno Müller ist beruflich bestens ausgelastet. Der 44-jährige Arzt arbeitet für ein großes Pharmaunternehmen in München. Er ist Vater zweier kleiner Kinder, seine Frau arbeitet als Oberärztin in einem Ravensburger Krankenhaus. Sein Lebensmittelpunkt ist Ravensburg. Vielen fiel jetzt wohl dazu ein: Der kann doch gar keine Zeit haben, sich auch noch ehrenamtlich zu engagieren. Berno Müller nimmt sich die Zeit. Nach 2014 hilft er nun schon zum zweiten Mal. Gemeinsam mit anderen ärztlichen Kollegen steht er an mehreren Tagen ehrenamtlich während der Vesperkirche für deren Gäste als Ansprechpartner zur Verfügung. „Warum Vesperkirche?“, fragt er sich und gibt auch gleich die Antwort: „Ich möchte etwas von dem zurückgeben, was ich im Leben erhalten habe und zwar denjenigen, die es brauchen.“

Thomas Rittmeyer

Thomas Rittmeyer

Oder Thomas Rittmeyer. Der 54-Jährige steht wie Berno Müller mitten im Beruf. Der Sozialpädagoge ist Leiter der stationären Hilfe im Martinshaus Kleintobel, eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche in der Nähe von Ravensburg. Rittmeyer ist das erste Mal als Helfer mit dabei, hat sich gleich nach dem Aufruf zur ehrenamtlichen Mitarbeit im Vesperkirchenbüro gemeldet. „Ich finde die Idee großartig, völlig verschiedene Menschen zusammen kommen zu lassen, sie an einem Tisch zu bewirten und uns alle das Verbindende entdecken zu lassen. Dabei möchte ich sehr gerne unterstützen“, begründet er sein Engagement für die Ravensburger Vesperkirche und legt nach: „Kirche öffnet sich für alle Menschen, wärmt die Seelen nicht mit Worten sondern mit Taten. Wunderbar.“

Inzwischen sind es über 350 Helfer, dazu kommen mehrere Schulklassen, die gemeinsam mit ihren Lehrern in der Vesperkirche mitarbeiten. Viele der Helfer sind Ruheständler, meist um die 60, rüstig und hoch motiviert mitzuarbeiten. Der Mix aus Jungen, Berufstätigen und Rentnern zeichnet das Team aus. Alle können sie voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen, ihre Erfahrung einbringen. Sie wollen „ihrer“ Vesperkirche zu einem großen Erfolg verhelfen, wie sie immer wieder betonen. „Das wirkt sich auch auf die Gäste positiv aus“, sagt Gerd Gunßer, neben Harald Dubyk und Friedemann Manz einer der Organisatoren der Ravensburger Vesperkirche und beschreibt so die einmalige Atmosphäre in der evangelischen Stadtkirche.

Andere wiederum spenden ihre Zeit in Form von Auftritten auf der Kirchenbühne, direkt vor dem Altar. Musiker unterschiedlicher Stilrichtungen, Theaterschauspieler oder der Publizist Wolfram Frommlet – sie tragen alle durch ihr Engagement zu einem anspruchsvollen Kulturprogramm bei, das an neun Abenden in der Stadtkirche stattfindet. „Not dark yet“ treten zum Beispiel mit einer Bob-Dylan-Konzertlesung auf. „Wir machen mit unserer Konzertlesung gerne mit, weil die Angebote und Unterstützung der Vesperkirche für Menschen, die nicht wissen, wie sie am nächsten Tag über die Runden kommen oder sich in einer unüberschaubaren und schwierigen Situation befinden, so direkt und konkret sind“, sagt Band-Mitglied Michael Moravek. „Alle sollen die Gelegenheit haben, unabhängig von ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten auch kulturelle Veranstaltungen besuchen zu können um einmal für zwei Stunden aus ihrem Alltag auszubrechen.“

Dabei verzichten sie alle auf ihre Gage. So müssen die Organisatoren keinen Eintritt verlangen, bitten aber um Spenden für die Finanzierung der Vesperkirche. Damit wird auch Kultur möglich für jene Menschen, denen ihr schmales Budget in der Regel den Kauf einer Eintrittskarte unmöglich macht. Das Motto: Kultur für alle.
Andere wiederum, darunter viele Firmen aus der Region, spenden Geld. Ohne diese Zuwendungen könnte ein so großes Unternehmen wie die Vesperkirche nicht realisiert werden. 100 000 Euro müssen die Organisatoren bis zum 8. Februar, dem letzten Tag der Vesperkirche 2015, insgesamt sammeln. Mit einer Geldspende hat sich das erste Mal ein kleines Familienunternehmen aus Richlisreute in der Gemeinde Schlier beteiligt. „Das Projekt Vesperkirche hat uns alle sofort begeistert. Was gibt es Schöneres dabei zu helfen, Menschen an einen Tisch zu versammeln“, sagt Michael Jäger, Inhaber von Obst&Gemüse Großhandel Jäger.